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Krebs und Ernährung.

Der Mensch ist, was er isst.

Autorin:

Vera Spellerberg,

Dipl. Oecotrophologin

veraspellerberg@wweb.de

 

Der Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und Krebserkrankungen ist in der Wissenschaft durch zahlreiche Studien unbestritten belegt. Die Krebserkrankung an sich trägt dazu bei, dass sich der Ernährungszustand der Patientinnen und Patienten in über 80% der Fälle signifikant verschlechtert. Bei über zwei Dritteln der Betroffenen in Deutschland manifestiert sich auch posttherapeutisch ein schlechter Ernährungsstatus.

Wir kennen den Begriff Kachexie. Eine Ernährungstherapie allein kann Krebs weder verhindern noch den Erkrankten heilen. Aktiv gelebt ist sie aber ein kraftvoller Beitrag zur Revitalisierung der Patienten und wirkt unterstützend in diesem Prozess.

Bei genauer Betrachtung findet Krebsprävention ebenso wie Krebsnachsorge auch wesentlich in der Küche oder besser noch früher, nämlich bei der bewussten, sorgfältigen Auswahl der Lebensmittel statt. Hochwertige und naturbelassene Qualität sowie abwechslungsreiche, schonende Zubereitung sorgen für echten Genuss und damit für wiedergewonnene Lebensqualität.

Gemeinsam und wiederholt praktiziert, haben Kochkurse für Patientinnen und Patienten einen besonderen Nutzen, da sie u.a. Gewohnheiten kritisch überprüfen und sie im günstigsten Fall auch optimieren können. Gut kochen meint natürlich vor allem, bewusst zubereiten und genüsslich essen. Es meint jedoch nicht, besonders aufwändig, kompliziert oder gar teuer an die Arbeit zu gehen. Ganz im Gegenteil – eine hochwertige, das Immunsystem unterstützende Ernährungsweise soll einen einfachen Beitrag leisten, wieder Kraft zu geben und fühlbar den Körper gesunden zu lassen.

Eine gute Ernährung kann während der Krebsnachsorge einen Mangel ausgleichen, vorbeugend den immunologischen Status deutlich anheben und damit die Widerstandskraft des Körpers stärken. Eine gesunde Ernährung kann die Selbstheilungskräfte aktivieren und damit die Wirksamkeit verschiedener Nachsorgemaßnahmen erhöhen. Sie kann ganz konkret Beschwerden lindern und damit auch die psychische und physische Belastbarkeit stärken und damit nicht zuletzt die Lebensqualität verbessern.

So bietet z.B. ein Kochkurs genau dazu Hilfen an! Hier können gute, erweiterte Kenntnisse über Lebensmittel sowie konkrete Anleitungen, nicht zuletzt über Rezepturen oder Garverfahren, vermittelt und gelernt werden. Die Ansprüche an eine gesunde Lebensweise können so lernend erfüllt werden.

Die Ernährungsempfehlungen folgen dabei einer kohlenhydratbewussten, glucoselimitierten sowie einer fett- und eiweißoptimierten Ernährungsweise mit deutlich mediterranen Einflüssen. Diese Ernährung ist keine Diät, sondern eine ganzheitliche, gesundheitsfördernde Versorgung, die für die Patientinnen und Patienten gleichzeitig besonders einfach und bekömmlich ist.

Dennoch gilt der Hinweis: Alles, worauf der Patient auch während der Nachsorge Appetit hat, was ihm schmeckt und vor allem gut

bekommt, verbessert auch sein Allgemeinbefinden und ist deshalb auf dem Speiseplan willkommen. Spaß und unbeschwerter Genuss beim Essen sind unglaublich wichtig, da durch positives Empfinden bereits immunologische Selbstheilungskräfte aktiviert werden. Ernährung und Immunsystem sind eng miteinander verbunden, so dass für ein gut funktionierendes Abwehrsystem eine ausreichende, hochwertige Eiweiß- versorgung wichtig ist.

 

Nach einer Krebstherapie gilt einer Reihe defizitär versorgter Mikronährstoffe wie VitaminA,C,E,Selen, Zink und Eisen aufmerksame Betrachtung. Verschiedene medikamentöse Therapien haben einen Einfluss auf den Vitaminstatus. Abgesehen davon, dass fast jede Krankheit den Vitaminbedarf verändert, sind bei den Krebserkrankungen besonders erhöhte Entzündungen, die Infektionen und die emetischen Nebenwirkungen wie: Übelkeit, Erbrechen und Appetitverlust als Verursacher des Muskelabbaus und die genannten Defizite zu beachten.

In dem hier erwähnten Kochtraining mit Krebspatientinnen und -patienten war eine optimale Vitaminversorgung deshalb natürlich ein wichtiges Thema. So sollten eine Reihe der präsentierten und zubereiteten Lebensmittel genau diese häufig anzutreffenden Mikronährstoffdefizite ausgleichen.

 

Einige Beispiele: Reichlich Vitamin C mittels Heidel- und Himbeeren im Salat oder der Nachspeise; aber auch frisch gepresster Orangen- und Zitronensaft als Beigaben zu winterlichen Salatsaucen oder in den Nachspeisen standen auf der Karte. Wintersalate wie Feldsalat, Kresse oder Spinat und nicht zuletzt Gemüsesorten wie der Brokkoli, der nur zart gedämpft wurde, sind besonders reich an Vitamin C. Selen wurde durch gehackte Hasel-, Mandel- und Walnüsse oder durch Rohkakao angeboten. Vitamin E und Vitamin A gab es durch Olivenöl und einen herzhaften Kräuter-Ziegenkäse-Aufstrich. Eine gute Eisenversorgung wurde durch eine wärmende Rote-Bete Suppe oder Dinkelbrot angeboten. Zink oder Omega-3-Fettsäuren, die ebenfalls zu den

schlecht versorgten Mikronährstoffen gehören, waren im zarten Safran-Hähnchen oder mit Wildlachs in Kokospanade im Angebot. Die Kokospanade war nicht nur besonders schmackhaft und einfach zuzubereiten, sondern erfüllte auch den Zweck, keine Stärke durch Weißmehl, wie bei der klassischen Panade, anzubieten.

Die genannten Fleisch- und Fischsorten sind die zu bevorzugenden Sorten, da sie aufgrund des geringen kollagenen Faseranteils besonders leicht verdaulich sind sowie exzellentes Eiweiß haben und somit kaum im Darm oxidieren. Denn auch aus diesem Grund werden Fleisch und Wurst insgesamt eher kritisch bewertet, insbesonders aus roten Sorten, die zudem roh – wie Tatar oder Mett – verzehrt werden. Viele Sorten dieser Fleisch- und Wurstspezialitäten, die zusätzlich geräuchert und mit Nitritpökelsalz behandelt sind, stehen unter Verdacht, krebserregend zu sein und sollten daher eher nicht verzehrt werden. Doch wie den Eiweißbedarf, der auf 1,2 Gramm pro Kilo/KG steigen kann, nach einer Krebserkrankung decken, wenn nicht mit Fleisch und Wurst?

Üblich sind laut DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) nur 0,8 Gramm pro Kilo/KG. Wurstsorten liefern vielzahlig sowieso nur reichlich gesättigte Fettsäuren und wenig Eiweiß und sind auch aus diesem Grund keine täglich oder wöchentlich zu empfehlende Lebensmittelgruppe. Der Proteinbedarf läßt sich dagegen auch ausgezeichnet mit Eiern, Hülsenfrüchten, Milchprodukten und ausgewählten Getreiden versorgen. Unsere in der Kochgemeinschaft gewählten Rezepturen empfahlen als Vorspeise vor dem Salat einen kleinen Snack, aus Kichererbsen-Curry mit Kapern und einen Aufstrich aus Quark mit grünem Pfeffer – beides natürlich als Alternative zur täglichen Wurst gedacht. Die Kombination aus hochwertigem Eiweiß mit sehr guten antioxidativ wirkenden Gewürzen und Kräutern, die appetitsteigernd wirken, mit kleinen Mengen Öl und Sahne gehaltvoll angereichert, sind sehr bekömmlich.

Die Vielfalt der Lebensmittel mit ihren Aromen soll über diese Geschmackserlebnisse im besten Fall in der täglichen Ernährung deutlich erhöht werden und darauf kommt es an! Auch die bessere tägliche Versorgung des Omega-3-Fettspiegels steht auf dem Plan! Diese Fette wirken antientzündlich und schützen darüber auch wertvolle Muskelfasern.

Im Kochkurs haben wir dazu Leindotteröl genutzt, qualitativ zu vergleichen mit dem „Extra Vergin“ des Olivenöls, da es sehr mild und wohlschmeckend ist und außerdem besonders reich an Omega-3-Fettsäuren. Ein Öl, das aufgrund des einzigartigen Geschmacks alle Teilnehmerinnen des Kurses mühelos dazu animierte, es einfach so vom Löffel zu probieren. Leinöl als potentester Omega-3- Spender, hat keinen guten Ruf bei vielen, da es oft sehr bitter schmeckt und eher abgelehnt wird.

 So ist es auch hilfreich, Qualitäten und Produkte zu finden, die hochwertig sind und geschmacklich akzeptiert werden. Auch der antioxidative Effekt der Omega-3-Fettsäuren sollte nicht unterschätzt werden, aber gleichzeitig auch nicht der Bedarf der Patientinnen und Patienten an diesen Stoffgruppen.

Krebstherapien wie Bestrahlung und Chemotherapie lösen einen deutlichen Anstieg der „Freien Radikale“ im Stoffwechsel aus und brauchen, gerade während der Nachsorge, ebenso wirkungsvolle sog. „Radikalenfänger“. Dabei sind u.a. Beta-Carotine in Karotten, Lycopine in Tomaten oder Glucosinolate zu nennen. Sie fangen freie Radikale ab und schützen Zellen, Organe und den Körper vor weiteren Entzündungen, Infekten und dem erhöhten Risiko, durch ein therapiebedingtes, geschwächtes Immunsystem, erneut zu erkranken.

 

Diese Beispiele für eine bewußt deutliche und nährstoffdichte Auswahl und Zubereitung schaffen den Switch zwischen immer wieder gelesener oder gehörter Theorie und schmackhaft gelebter Praxis. Einen Unterschied deutlich machen, auch das will die gelebte Praxis! Die Empfehlung: Neu durchstarten und die Gemeinschaft erleben, für sich eine Perspektive finden, die alten Gewohnheiten und alles, was nicht gut tut, Schritt für Schritt überwinden lernen – das ist das Ziel. Dieser psychologische, verhaltenstherapeutische Effekt ist eines der elementaren Grundanliegen von Kochtrainings mit Krebspatienten. Landläufig als gesundes Essen belächelt, mit dem häufig versteckten Gedanken „... schmeckt eh nicht und ist aufwendig“, wollen praktisch erlebte Geschmacks- und Sinnenfreuden diese Vorurteile über Bord werfen.

Menschen brauchen die gelebten, also die gefühlten Erfahrungen, um zu wissen: Gesund essen ist weder fad, noch langweilig! Gesund essen heißt auch nicht, dauernd Kompromisse machen zu müssen. Ganz im Gegenteil: Gesundes Essen mit der Vielzahl an Gewürzen und frischen Kräutern, den neuen Rezepturen und Zubereitungen – das schafft die willkommene Abwechslung und führt auf ganz simple Weise weg vom ewig Gleichen und hin zu mehr Genuss.

In diesem Sinne bekommt auch der Spruch des Hippokrates: „Der Mensch ist, was er isst!“ eine ganz neue Bedeutung! 

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